Zum Gruseln abenteuerlich

Die Geraer Höhler

„Papa, hier riecht es komisch.“ Na, das fängt ja gut an. Genervt schaue ich zu meiner Frau. „Ganz im Gegenteil, Linus, das ist der Duft von Feierabend.“ Linus hält sich dramatisch die Nase zu. „Verlauft euch nicht und bleibt immer schön bei der Gruppe!“ – die Kinder schauen meine Frau verschmitzt an: „Aber ja doch.“ Und dann geht es hinunter in das Labyrinth der Unterwelt.

Für Kinder im Mittelalter muss es wohl der perfekte Spielplatz gewesen sein, zum Gruseln dunkel und labyrinthartig erwartet einen an jeder Ecke eine neue Möglichkeit. In ganz Gera entstanden ab dem 16. Jahrhundert sogenannte Höhler mit einer Gesamtlänge von neun Kilometern. In der Regel liegen sie fünf bis acht, manchmal auch bis zu zehn Meter unter der Erde.

Hinab ins Mittelalter

Und was genau ist jetzt ein Höhler? Die Geraer Höhler sind künstlich angelegte Hohlräume (Tiefenkeller) unter den eigentlichen Wirtschaftskellern der Häuser der Altstadt. Diese wurden früher zur Lagerung von Bier genutzt. Durch das Geraer Bierbrauprivileg von 1487 waren alle Hausbesitzer berechtigt, Bier zu brauen oder brauen zu lassen. Ihre Hauskeller boten dafür nicht die idealen, mitunter kühlen und räumlichen Bedingungen, sodass ab dem 16. und vor allem im 17. und 18. Jahrhundert mehr und mehr Höhler für die Bierlagerung errichtet wurden.

Fässer in einem Geraer Höhler

©Steffen Weiß, Vogtland Tourismus

Höhlergeister

Ich schaue mich verwundert um. Es ist still, zu still. Wo sind die Kinder? Panisch schaue ich zu meiner Frau. Die folgt gelassen den Worten des Guides. Der erzählt gerade etwas zur Außenstelle des Naturkundemuseums mit einer Ausstellung zur Mineralienwelt und verweist auf Höhler Nr. 188. 1986 bis 1989 dauerte der Ausbau von zehn Höhlern mit einer Gesamtlänge von 250 Metern, die nun das Museum sind, das wir gerade besuchen.


Wo stecken die nur? Ich suche die Gänge nach einem blonden Schopf ab und entdecke die beiden vor einem funkelnden Kristall. Beide mit staunenden Augen. „Na, Linus, und wie riecht das jetzt hier?“ „Voll nach Abenteuer, Papa“, antwortet er und schaut euphorisch zu mir hoch. Damals wurden die Höhler professionell durch Bergleute errichtet. Wer hätte gedacht, dass die alten Bierlagerstollen heute einmal so ereignisreich zum Ausflugsziel werden. 

Die Gruppe hat aufgeschlossen. Zum Glück wenig verärgert beugt sich der Guide hinunter zu den Kindern. „So so, neugierig seid ihr also. Wartet nur, bis das Höhli, der Höhlergeist, erfährt.“

In die Gegenwart

Lächelnd verlassen wir die Unterwelt und betreten wieder den Sonnenschein. Ganz so gruselig schien der Geist Höhli dann doch nicht zu sein. Das Blatt in Linus Hand zeigt einen Geist mit sechs Haaren, einer Schleife um den Hals und Flattergewand. In der Hand einen Hebscheffel und eine Hopfenschaufel. 

Titelbild: ©Marcus Dassler, Vogtland Tourismus

 

Verleihung „Höhler des Jahres“ anlässlich des jährlichen Höhlerfestes

Anlässlich des jährlichen Höhlerfestes zeichnet der „Verein zur Erhaltung der Geraer Höhler e.V.“ Geraer Bürger und Geschäftsleute aus, die sich um den Erhalt ihrer Höhler besonders verdient gemacht haben. Die Auszeichnung „Höhler des Jahres“ soll die Grundstücksbesitzer animieren, ihre noch nicht erschlossenen Höhler einer Wiedernutzung zuzuführen und so die Höhler in ihrer Gesamtheit zu erhalten.