Kleinstes Fürstentum Deutschlands

Auf Schlösser-Tour in Greiz

Viele machen sich Listen für die Orte, die sie einmal bereisen möchten. Darauf stehen nicht unbedingt Länder, sondern eher konkrete Merkwürdigkeiten, außergewöhnliche Orte oder eben absolute Geheimtipps: der höchste Ort Europas, die ältesten Bäume der Welt, etc. Eines Tages ging ich meiner Leidenschaft nach: ein guter Tee, ein spannender Roman.

Letzterer mit viel Kostüm, Leidenschaft und Liebe – in diesem Fall der Skandal um eine Fürstenfamilie, die um ihre Erbschaft betrogen wird. Nichts Anspruchsvolles, aber etwas fürs Herz. Und da kam mir ein Gedanke: Welches Fürstentum ist eigentlich das kleinste Deutschlands? Und kann man das noch anschauen? Mittels Suchmaschine kam ich auf folgendes Ergebnis:

Die thüringische Kreisstadt Greiz war einst die Hauptstadt von Deutschlands kleinstem Fürstentum, dem Fürstentum Reuß älterer Linie. Eine aufregende und wechselvolle Vergangenheit mit zahlreichen Tragödien, aber auch Fortschritt und Entwicklung hat die über 800-jährige Residenzstadt hinter sich gelassen.

Angesichts meiner Lektüre stießen „zahlreiche Tragödien“ natürlich auf offene Ohren bei mir.

Eine erstarkende Textilindustrie mit Weltruhm prägte die Stadt mit den kleinen Weberhäuschen und prächtigen Fabrikantenvillen gleichsam. Der einstige Reichtum ist noch heute zu erkennen. Und auch die Monarchie hinterließ ihre Spuren. Gleich drei reizvolle Schlösser in einer Stadt erzählen heute dem Besucher vom „Glanz und Gloria“ der Reußen.

Gleich 3 Schlösser auf einmal? Klasse. Und schon waren die Koffer gepackt.

Oberes Schloss – Wahrzeichen hoch über der Stadt

In Greiz angekommen grüßt mich bereits Schloss Nummer 1 hoch über der Stadt. Praktischerweise heißt es auch einfach „Oberes Schloss“.

Luftaufnahme des Oberen Schlosses in Greiz.

©Theilig, TV Vogtland

Entstanden aus einer mittelalterlichen Burg der Vögte von Weida und Plauen war das Obere Schloss bis ins 19. Jahrhundert die Residenz der Fürsten von Reuß. Ein Sensationsfund bei Restaurierungsarbeiten datiert den Bau bis Anfang des 12 Jahrhunderts zurück. Ganz schön staubig, aber auch unglaublich mystisch, ebenso wie die Aussicht. Nach einer öffentlichen Führung durch Schloss und Außengelände gönne ich mir eine kleine Lesepause an der Weißen Elster. Der Fluss schlängelt sich hier idyllisch durch die Stadt. Mit Blick auf die Gegend, perfekt zur Fortsetzung meines Skandalromans.

Unteres Schloss – Glanzstück inmitten der Stadt

Und wie in meinem Roman scheint auch Greiz Opfer einer Erbteilung geworden zu sein. Schloss Nummer 2, pragmatisch „Unteres Schloss“ genannt, entstand daraufhin im 16. Jahrhundert.

Blick auf das Untere Schloss in Greiz.

©Jens Hauspurg, TTG

Interessant anzuschauen ist vor allem eine Veränderung aus dem 19. Jahrhundert: ein Zwiebelturm. Neben den Wohn- und Repräsentationsräumen der Fürstenfamilie und einer wechselnden Sonderausstellung ist die Geschichte der aufblühenden Textilindustrie in der ehemaligen Hofküche der Fürsten untergebracht: die Schauwerkstatt „Greizer Textil – Vom Handwerk bis zur Industrie“. Hmm, die Reußens waren schon irgendwie pfiffig. Vielleicht gibt es im Shop auch einen Roman zu denen…

Sommerpalais im Fürstlich Greizer Park

Ich habe noch ein bisschen Zeit vor meiner Abreise. Schloss Nummer 3 ist eigentlich ein Sommerpalais. Praktisch, wenn man so ein kleines Fürstentum ist. Bei so wenig Platz, baut man eben gleich drei Schlösser in einer Stadt.


Am westlichen Rand von Greiz und doch zentrumsnah trifft man auf ein „Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung“. Im Tal der Weißen Elster, auf einer Fläche von 43 ha liegt einer der schönsten Landschaftsparks Europas, der Fürstlich Greizer Park. Hier steht auch das Sommerpalais, ein Ort, an dem sich die fürstliche Familie vom Hofalltag zurückziehen konnte. Dies zeigt sich auch in der Giebelinschrift „Maison de belle retraite“, was so viel heißt wie „Haus der schönen Zuflucht“. Freudig stelle ich fest, dass das Palais heute die „Staatliche Bücher- und Kupferstichsammlung“ beherbergt: fast 35.000 Bände umfasst die höfische Bibliothek, deren wissenschaftliche Inhalte bemerkenswerter nicht sein könnten. Und auch das Satiricum, als eigenständige Abteilung des Museums, mit der großen und überragenden Sammlung von Karikaturen, punktet als Schatzkiste des spitzen Humors. Für mich ein gelungener Abschluss des Tages.

Titelbild: ©Jens Hauspurg, TTG

Datentabelle